Unschuldsvermutung

Wir diskutieren mehr darüber wem wir jetzt glauben oder nicht, als uns zu überlegen, wie wir Betroffenen helfen. Wir nehmen sie ja nichtmal wahr. Wir müssen uns fragen was für eine Gesellschaft wir sein wollen, eine in der Täter geschützt werden oder ob wir Betroffenen glauben wollen. Die meisten Täter begehen mehrfach Taten, wir sind also mit dafür verantwortlich, wenn wir sie schützen und immer als erstes Unschuldsvermutung brüllen, anstatt Vorwürfe ernst zu nehmen. Niemand will unschuldige Personen ins Gefängnis bringen. Aber ehrlich gesagt müssen wir uns fragen was mehr wiegt. Ein Unschuldiger in U-Haft oder etliche Täter auf freiem Fuß, die dann wieder neue Taten begehen. Dieses Thema ist komplex, aber es verschwindet nicht nur weil uns die Diskussion dazu zu anstrengend ist…

Du hast keine Schuld…

  • wenn man dich schlecht behandelt (inkl. Abwertung, Übergriffigkeit)
  • wenn man dir Gewalt antut (sowohl psychisch als auch physisch)
  • wenn man dich anlügt (betrügt)
  • wenn man (dir) Lügen über dich erzählt („du taugst nichts, „du bekommst ja nichts auf die Reihe“, „du bist faul“, „du bist eine Schlampe“ usw.
  • wenn du am Ende das Gefühl hast, es läge an dir

Du bist unschuldig !!!!

Eine Folge von (früher) emotionaler Gewalt ist, dass die Opfer Schuldgefühle entwickeln. Das kann mehrere Gründe haben:

  • Die Schuld wird ihnen eingeredet (Täter-Opfer Umkehr)
  • Sie werden abgewertet und damit schuldig gesprochen 
  • Ihre Bedürfnisse werden als falsch und unerwünscht gebrandmarkt
  • Auf der Suche nach Selbstwirksamkeit suchen sie den Fehler bei sich 

Diese Form der Gewalt hinterlässt tiefe Spuren in der Psyche und im Selbstwertgefühl – vor allem wenn sie durch schädigende Bindungspersonen verursacht wurde. Eine dieser Wunden drückt sich z.B. darin aus, dass wir auch noch als Erwachsene eine tiefe Verunsicherung in uns spüren, ob unsere Empfindungen, Impulse und Wahrnehmungen richtig oder gerechtfertigt sind. Wir hinterfragen alles & jeden und vergleichen uns ständig mit anderen – immer in der Hoffnung „Sicherheit und Kontrolle“ zu erlangen. Das hat zumeist fatale Folgen und zeigt sich in Angststörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Bindungsschwierigkeiten, Vertrauensproblemen und und und

Kennst du das Gefühl, Schuld zu sein, obwohl du weißt, dass du nur ein Kind warst? 

Du möchtest das beenden und heilen?

Aus dem alten Schuldgefühl der Täter-Opfer Umkehr heraus zu heilen ist ein kraftvoller Prozess der Selbstermächtigung. Er ist anstrengend, oft langwierig und hat zur Folge, dass wir uns von vielen Mustern und Menschen trennen dürfen, die uns im hier und jetzt nicht mehr gut tun und die weiterhin die Dynamiken aufrecht erhalten wollen.

Wenn du dich also selbst abwertest, dir psychisch und physisch Gewalt antust, dich selbst belügst und die Augen vor der Wahrheit verschliesst… dann hältst auch du die Dynamik weiterhin aufrecht und steckst weiterhin in der Opferrolle. NUR dass du jetzt eben nicht mehr das Kind bist, dass dem Täter ausgesetzt war und keine Chance hatte – sondern, dass du jetzt der Erwachsene bist, der sich das selbst immer wieder antut… weil er Menschen in sein Leben lässt, die ihn schlecht behandeln.

Du projizierst aber in der Situation selbst deinen ganzen Gram auf die andere Person. Du sagst: “Er oder sie hat mich gerade schlecht behandelt und deswegen fühle ich mich jetzt schlecht!”

Der wesentliche Unterschied zu früher – heute hast du die Macht! Dinge / Umstände / zwischenmenschliche Verbindungen zu verändern, sie anzusprechen, Grenzen zu setzen und oder zu gehen.

Nur so wird es möglich sein, sich Schritt für Schritt – jenseits von Opfer- und Täterschaft – als einen liebenswerten und einzigartigen Menschen wahrzunehmen, seine Stärke zu kennen und auszubauen, zu seinen Schwächen zu stehen und in zwischenmenschlichen Beziehungen zu treten, die sich nicht mehr als Bedrohung anfühlen.

Tief im Inneren schlummert instinktiv in jedem von uns ein Gefühl, wie sich Liebe und echte Verbundenheit anfühlen. Diesen Gefühlen/Impulsen Raum zu geben und sie mit Leben zu füllen, ist ein wichtiger Aspekt der Heilung (Traumaintegration). Damit dies gelingen kann und nicht wieder die alte und tiefe Verunsicherung Raum einnimmt, ist es wichtig, sich mit Menschen, die es aufrichtig gut mit uns meinen, zu unterhalten und zu reflektieren.